AG Neuropsychosomatik
von Körperbeschwerden
Wir interessieren uns für funktionelle Körperbeschwerden, die zu erheblichen Einschränkungen in Funktionsniveau und Lebensqualität führen. Dies betrifft Körperbeschwerden, die in Abwesenheit jeglicher organischer und/oder psychischer Erkrankung entstehen, aber auch nicht ausreichend durch die Grunderkrankung erklärte Beschwerden bei organischen Erkrankungen, wie z.B. Krebs oder bei psychischen Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen.
Vorrangiges Ziel ist, zu verstehen, was diesen Körperbeschwerden zugrunde liegt, um langfristig Diagnostik und Therapie zu verbessern. Methodisch nutzen wir dafür kombinierte Ansätze der behavioralen, neurophysiologischen und computationalen Neurowissenschaften
Wir verstehen uns translational und stellen einen Knotenpunkt zwischen computational-experimenteller Psychosomatik und den daraus ableitbaren klinischen Implikationen dar, um die Entwicklung von maßgeschneiderten psychotherapeutisch – psychosomatischen Interventionen in dieser oft unterversorgten Patientengruppe voranzubringen.
Aktuelle Projekte
Mit Hilfe computational-experimenteller Ansätze konnten wir kürzlich zum ersten Mal Hinweise dafür finden, dass eine fehlerhafte ZNS-Interaktion zwischen sensorischer Information und den Erwartungen über die sensorischen Konsequenzen der eigenen Handlungen eine Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von funktionellen Körperbeschwerden spielt. Dabei zeigten sich diese Einschränkungen in messbaren Kopf- und Blickparametern, wie etwa stärkeren Kopfoszillationen und erhöhter Blickvariabilität.
Studienleitung: Prof. Dr. med. N. Lehnen
Projektmitarbeiter: L. Schröder M.Sc., Dipl.-Ing. A. Knorr
Um herauszufinden, ob den Defiziten in der Blickkontrolle bei funktionellen Schwindelpatienten ein symptom-spezifischer Mechanismus zugrunde liegt, oder ob diese Einschränkungen durch einen symptom-unspezifischen Pathomechanismus hervorgerufen werden, untersuchen wir aktuell die sensomotorische Blickkontrolle von Patienten mit anderen funktionellen Körperbeschwerden. Dafür messen wir, mit unterschiedlicher Nähe des betroffenen Körpersystems zur Auge-Kopf-Koordination der Blickkontrolle, Patienten mit Reizdarmsyndrom (weiter entfernt) und Patienten mit funktioneller Bewegungsstörung (näher an der untersuchten Blickkontrolle).
Studienleitung: Prof. Dr. med. N. Lehnen
Projektmitarbeiter: L. Schröder M.Sc., A. Hackenberg
In einer an die obigen anknüpfenden Studien wird untersucht, ob die beschriebene perzeptuelle Dysregulation auch bei PatientInnen besteht, die Schwindelbeschwerden im Rahmen einer depressiven Störung erleben. In einem weiteren Schritt soll untersucht werden, ob eine derartige Veränderung in der senso-motorischen Bewegungsausführung sich auch bei depressiven PatientInnen ohne Schwindel zeigt, was auf einen prädisponierenden Faktor zur Entwicklung funktioneller Störungen hinweisen könnte.
Studienleitung: Dr. phil. Dipl.-Psych. K. Radziej
Projektmitarbeiter: L. Schröder, M.Sc.
Neben der Frage nach Generalisierungseffekten perzeptueller Dysregulation über verschiedene funktionelle Beschwerden hinweg, überprüfen wir aktuell auch die Hypothese eines allgemeineren Wahrnehmungsdefizits innerhalb der Gruppe von funktionellen Schwindelpatienten. Dabei untersuchen wir das Zusammenspiel von sensorischer Information und deren ZNS-interne Erwartungen in einem Zeitwahrnehmungsexperiment. Schwierigkeiten in diesem perzeptuellen Zusammenspiel in der Zeitwahrnehmung, und daher außerhalb der betroffenen sensorischen Modalität, wären einen Hinweis auf ein allgemeines Inferenzproblem bei Patienten mit funktionellem Schwindel.
Studienleitung: Prof. Dr. med. N. Lehnen
Projektmitarbeiter: D. von Werder, B.Sc., Dipl.-Ing. A. Knorr, L. Schröder, M.Sc.
In einer Pilotstudie untersuchen wir, ob sich aus verbalen Berichten von funktionellen, vestibulären und zerebellären Schwindelpatienten über ihr Symptomerleben unterschiedliche Kommunikationsprofile ableiten lassen. Es werden qualitative, halb-strukturierte Interviews und linguistische Analysen durchgeführt, um mögliche Unterschiede in der Art und Weise, wie Patienten vom Erleben ihrer Schwindelsymptome berichten, identifizieren und beschreiben zu können.
Wie können die Beobachtungen aus Experimenten und computationalen Modellierungen in die klinische Arbeit übertragen und in verständliche Sprache für Patienten und Behandler übersetzt werden? Wir sind im ständigen Austausch, um die Implikationen unserer experimentellen Arbeit für psychotherapeutische und medizinischen Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten einschätzen und diskutieren zu können.
Studienleitung: Dr. med. M. Feuchtinger
Projektmitarbeiter: Dr. phil. Dipl.-Psych. K. Radziej, F. Koch
Mitarbeiter der AG Neuropsychosomatik von Körperbeschwerden:
Wir sind eine multidisziplinäre Arbeitsgruppe, die eine große Bandbreite an Disziplinen, von psychosomatischer Medizin und Psychotherapie, Psychiatrie und Neurologie über Biologie, Psychologie, Ingenieurwissenschaften und computationaler Neurowissenschaften, abdeckt.
Prof. Dr. med. Nadine Lehnen
Fachärztin für Neurologie, Arbeitsgruppenleiterin
Katharina Biersack
Ärztin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Dr. med. Manon Feuchtinger
Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
Anna Hackenberg
Medizinstudentin, Doktorandin
Friederike Koch
Medizinstudentin, Doktorandin
Dipl.-Ing. Alexander Knorr
Elektroingenieur, wissenschaftlicher Mitarbeiter
Dr. phil. Dipl.-Psych. Katharina Radziej
Psychologische Psychotherapeutin, Postdoc
Lena Schröder, M.Sc.
Psychologin, Doktorandin.
Dina von Werder, B.Sc.
Masterandin Neurowissenschaften
Kooperationen
- Prof. Dr. Stefan Glasauer, Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
- Prof. Dr. med. Roland von Känel, Klinik für Konsiliarpsychiatrie und Psychosomatik, Universitätsspital Zürich
- Prof. Dr. Erich Schneider, Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
- PD Dr. Zhuanghua Shi, Ludwig-Maximilians-Universität München
- Prof. Dr. Thomas Wachtler, Ludwig-Maximilians-Universität München
- Lehnen, N., Radziej, K., Weigel, A., von Känel, R., Glasauer, S., Pitron, V., Van den Bergh, O., Löwe, B., Lehmann, M., Henningsen, P. on behalf of the EURONET-SOMA Group (2020). Complementing conceptual models of persistent somatic symptoms with mathematical formalization. Psychosomatic Medicine, [Epub ahead of print].
- Lehnen, N., & Radziej, K. (2020, in press). Psychobiologische Mechanismen und Risikofaktoren bei Schwindel. In: Psychosomatische Medizin, Hrsg: Egle, Heim, Strauß, von Känel. Kohlhammer, Stuttgart.
- Lehnen, N., Schröder, L., Glasauer, S., Henningsen, P., & Ramaioli, C. (2019). Deficient head motor control in functional dizziness: Experimental evidence of central sensory-motor dysfunction in persistent physical symptoms. Progress in Brain Research, 249, 385-400.
- Van den Bergh, O., & Lehnen, N. (2019). Embracing computational approaches can stimulate clinical psychology research. Clinical Psychology in Europe, 1(3), e39237.
- Lehnen, N., Henningsen, P., Ramaioli, C., & Glasauer, S. (2018). An experimental litmus test of the emerging hypothesis that persistent physical symptoms can be explained as perceptual dysregulation. Journal of Psychosomatic Research, 114, 15-17.